Rang eins, zwei und vier: Familie Richter aus Kiel dominierte in diesem Jahr die deutsche Windsurf-Szene bei den deutschen Meisterschaften im Wave, dem Wellenreiten, fast nach Belieben. Erstmals musste sich dabei Vater Philipp (53), früherer Windsurf-Profi, bei den Wettfahrten vor Sylt seinen Söhnen Anton (17) und Leo (19) geschlagen geben. Die Wachablösung?
Wenn bei den Richters die Urlaubsplanungen anstehen, geht es vor allem um eine Frage: Kann man dort surfen? Um möglichst viel Wind mitzunehmen, reisen sie dann meist gen Norden, nach Klitmøller an der dänischen Nordseeküste. Wo es beständigere, rauere Bedingungen gibt als in heimischen Trainingsgefilden wie in der Eckernförder Bucht oder auf dem Wittensee. „In Deutschland kriegt man nicht so viele Wellen“, sagt Anton. Wenn der Wind die 20 Knoten knackt, die Wellen sich zwei Meter und höher türmen, sind die Richters in ihrem Element.
Angefangen hat der Wassersport für Anton und Leo zunächst beim Segeln – im Opti. Die Brüder kommen erstmals mit einer Regatta in Berührung, saugen Erfahrungen auf, lernen, wie sich das Wasser verhält. Mit sechs Jahren stehen beide erstmals auf dem Board. „Es war einfach ein Spaß, die beiden so früh ans Windsurfen heranzuführen“, erinnert sich Vater Philipp. „Wir haben sie gar nicht doll gepusht, es einfach immer angeboten. Wenn der Funke überspringt, entwickelt sich die Motivation ganz von allein.“
Die Augen funkeln, wenn Anton heute von dem Gefühl spricht, frontal in eine Welle zu fahren: „Das Springen, Rausschießen, die Welle abzureiten – das ist einfach Freiheit.“ Anders als sein Bruder brennt Anton vor allem für die Disziplin Wave. Leo zeigte zuletzt vor allem seine Klasse im Foil Slalom, ist Vize-Europameister bei den U 20-Junioren. Dort geht es weniger um spektakuläre Sprünge in der Welle, sondern um Tempo und Geschicklichkeit auf Board und Slalomkurs.
Bemerkenswert: Die Richter-Brüder landeten in der deutschen Windsurf-Rangliste gleich in mehreren Disziplinen auf den vorderen Rängen. Im Foil Slalom auf fünf und sechs, im Fin Slalom auf drei und vier. Dazu Antons Wave-Meisterstück im Finale gegen seinen älteren Bruder und dessen vierter Gesamtplatz in der Racing-Konkurrenz. „Die DM sind für uns das Kernevent. Da zu gewinnen, als Familie oben zu stehen, ist ein extremes Highlight“, sagt Leo, ohne zu leugnen, dass auf dem Wasser die Rivalität auch vor der Familie nicht Halt mache. „Der Bruder ist der erste, den man schlagen will. Das schafft natürlich Extra-Motivation.“
Und dann wäre da noch Papa Philipp, der die Regattaszene über 30 Jahre lang kennt, selbst zwischen 1988 und 2022 als Windsurf-Profi bei der PWA World Tour startete, Vize-Weltmeister im Slalom war. Und sich heute mit seinen Söhnen auf dem Wasser misst, sofern es das Berufsleben als Mediziner zulässt. Zudem wichtige Stütze für seine Sprösslinge ist, wenn es darum geht, das Material richtig einzustellen und vorzubereiten, Sponsoren an Land zu ziehen und entscheidende Tipps vor Regattastarts zu geben. „Ich muss mich schon auch mal zurücknehmen“, sagt er. Und auf dem Board? „Wenn ich auf dem Wasser bin, gebe ich alles.“
Dass Mutter und Ehefrau Nadja ebenfalls das Surfen gepackt hat (Philipp: „Sie surft bei moderater Welle“) erleichtert das Familienleben enorm. Schließlich sei das Verständnis essenziell, wenn in Windeseile die Sachen gepackt, Freunden oder Partys abgesagt werden, weil Wind und Wellen zum Surfen einladen. Vor allem die Voraussetzungen fürs Wellenreiten seien nicht alltäglich. Oft geht es spontan los. „Man guckt jeden Tag, wie die Windbedingungen sind“, sagt der Familienvater. „Der Sport ist halt nicht planbar.“ Und habe sich in den letzten Jahren systematisch weiterentwickelt.
„Mit dem Foilen ist es einen ordentlichen Schritt weitergegangen“ sagt der Ex-Profi. Der Kern des Windsurfens sei geblieben, aber das Material werde immer besser. Die Sprünge höher, weiter, spektakulärer, die Sportlerinnen und Sportler schneller – und immer mehr zu Spezialisten. Das sei früher anders gewesen. Heute gebe es in der Weltspitze kaum noch Athleten, die alle vier Windsurf-Disziplinen bei Turnieren fahren. Anton und Leo bildeten vor Sylt schon eine Ausnahme. Philipp Richter betont: „Die Sportler sind so gut geworden, dass es nicht möglich ist, in allen Disziplinen ganz oben zu stehen.“
Ganz oben – die Marschroute für die Zukunft der talentierten Richter-Brüder? „Für mich soll es darum gehen, bei der deutschen Tour im Top-Feld mitzufahren, ein paar internationale Regatten zu fahren“, erklärt Leo, beim Interview zu einer Regatta am Gardasee unterwegs und per Videoanruf ins heimische Wohnzimmer hinzugeschaltet. Der 19-Jährige hat sich für den Fachbereich Zahnmedizin an der Uni eingeschrieben – in Kiel, des Surfens und der Community wegen.
Bruder Anton will dagegen die Welle reiten, wie sein Vater früher Teil des Profigeschäfts auf der PWA-Tour sein. „Das Ziel ist es, zwei, drei, vielleicht vier Jahre den kompletten Fokus auf die World Tour zu legen“, so der Abiturient. Um dort für weitere Windsurf-Highlights zu sorgen und die Familiengeschichte weiterzuschreiben. (ps)