Herr Ressel, im Oktober sind Sie mit dem Hamburger Judo Team zum fünften Mal in Folge Deutscher Meister geworden. Sie haben ihren letzten Kampf bereits nach 2,13 Minuten beendet und damit das Finale entschieden. Sind Sie schon auf dem Weg zu alter Stärke?
Dominic Ressel: Ich überstürze nichts, aber nach der Pause kribbelt es auf jeden Fall in den Fingern.
Nach der Olympia-Verschiebung hatten Sie in unserer Zeitung gesagt, es sei schwer sich zu motivieren, wenn man nicht wüsste, wann und wie es weitergeht. Wie ging es denn in den vergangenen Monaten weiter?
Ich habe die Corona-Pause genutzt, um eine langwierige Schulterverletzung operativ behandeln zu lassen. Nach der OP stand erst mal die Reha an. Für mich ging es zunächst darum, die Schulter langsam wieder belasten zu können und dann, wieder auf meinen alten Trainingsstand zu kommen. Diese Phase, in der man sich fragt: ’wofür trainiere ich eigentlich?’, die ich bei vielen meiner Teamkollegen beobachten konnte, ist an mir also vorbei gegangen.
Wann sind Sie wieder ins Training eingestiegen?
Das volle Programm mit Trainingskämpfen und allem, was ein Judoka braucht, fahre ich seit rund sechs Wochen. Bis dahin habe ich getan, was ging. Weil ich meine Schulter schonen musste, bin ich mit besseren Kraftwerten in den Beinen als je zuvor zurückgekehrt.
Die Europameisterschaft, die gestern in Prag begann, kam aber noch zu früh für Sie?
Ich trainiere schon wieder zu hundert Prozent, aber ich fühle mich noch nicht so als wenn ich Europameister werden würde. Ohne diese Überzeugung brauche ich dort nicht anzutreten. Dieser Meinung ist auch mein Trainer.
Wie sieht aktuell Ihr Trainingsalltag aus? Ist dieser durch die verschärften Corona-Maßnahmen im November wieder stärker eingeschränkt?
Im Schnitt sind wir jetzt nur noch zehn Leute auf der Matte, zwischenzeitlich waren bis zu zwanzig erlaubt. Damit ist immer noch anständiges Training möglich. Noch hatten wir zum Glück keinen Corona-Fall im Team.
Zum Zeitpunkt der Olympia-Verschiebung war nicht klar, ob damit auch die Nominierungen des Deutschen Judo-Bundes (DJB) hinfällig sind. Sie waren für 2020 bereits nominiert. Auch für das Turnier 2021?
Davon gehe ich aus. Die Kriterien sind so formuliert, dass die Nominierungen trotz der Verschiebung Bestand haben – außer es passiert etwas außergewöhnliches wie eine Verletzung oder andere schwere Einschränkungen.
Angesichts der weltweit steigenden Infektionszahlen scheint eine weitere Verschiebung oder sogar eine Absage der Olympischen Spiele möglich. Versuchen Sie, solche Gedanken gar nicht an sich heran zu lassen?
Im Training beschäftige ich mich damit nicht. Wenn es um andere Sachen geht – ich muss zum Beispiel gerade planen, wann ich nächstes Jahr ein Praktikum im Rahmen meiner Ausbildung mache – stelle ich mir schon die Frage, ob Olympia überhaupt stattfindet.
Sie wohnen in Köln, machen eine Ausbildung bei der Polizeisportschule im Bundesleistungszentrum Kienbaum in Brandenburg und treten für das Hamburger Judo-Team an. Wie viel Freizeit bleibt neben Judo und Ausbildung?
Wenig. Aber ich habe das Glück, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Das Training ist quasi meine Freizeit, deswegen will ich mich da gar nicht beschweren.
Sie leben schon lange nicht mehr in Kiel, treten bei Einzelwettkämpfen aber nach wie vor für den TSV Kronshagen an. Warum?
Ich bin seitdem ich 13 bin nach Hamburg zum Training gefahren, weil dort die Bedingungen besser waren als in Kiel. Hamburg ist mein zweiter Heimatverein, für das Team trete ich in der Bundesliga an. Aber an Kronshagen hängt mein Herz, deswegen kämpfe ich bei nationalen Einzelwettkämpfen immer noch für den TSV.
Sie machen keinen Hehl um ihre Ambitionen bei den nächsten Olympischen Spielen. In Interviews haben Sie zuletzt mehrfach betont, dass die Goldmedaille das erklärte Ziel ist. Woher kommt dieses Selbstvertrauen?
Ich habe unter anderem bei den Grand Slams in Paris und Düsseldorf 2019 (Gold- und Bronzemedaille, d. Red.) gezeigt, dass ich es schaffen kann. Dadurch ist auch die Erwartungshaltung im Umfeld gestiegen. Das versuche ich aber auszublenden. Ich denke, dass kein Sportler zu den Olympischen Spielen fährt, um nur daran teilzunehmen. Ich mache kein Geheimnis aus meinem Ziel. Der Tag muss passen, aber ich bin der Überzeugung, dass ich jeden auf der Welt schlagen kann. (cbe)