Auch die skurrilen Begleitumstände zum Abschluss der Ruder-EM konnten die Freude nicht trüben. Auf einem vor dem Siegerpodest postierten Stehtisch lagen die Goldmedaillen bereit. Verliehen wurden sie nicht – wie sonst üblich – von einem Offiziellen, sondern von Steuermann Martin Sauer (Berlin), der seinen Mitstreitern angesichts der strengen Corona-Vorschriften die Trophäen selbst um den Hals hängen musste. Gesichtsmasken erschwerten wenig später das Mitsingen der Nationalhymne. Trotz langer Wettkampfpause war auf die Weltmeister wieder einmal Verlass. „Wir haben ein echtes Ausrufezeichen gesetzt und gezeigt, dass wir so stark sind wie vor einem Jahr“, kommentierte Schlagmann Hannes Ocik (Schwerin) den achten EM-Triumph der Crew in Serie, der allen Beteiligten aufgrund der besonderen Umstände rund um den Malta-See in Posen am besten in Erinnerung bleiben dürfte. Nach Gold im vergangenen Jahr holte die Kielerin Frieda Hämmerling (RG Germania Kiel) im Frauen-Doppevierer diesmal EM-Silber. Ein Ergebnis, mit dem Hämmerling in Anbetracht des Positionentauschs im Boot sowie Krankheitsfällen in der Vorbereitung zufrieden ist.
„Wir sind gut gefahren. Natürlich wollten wir gewinnen und deshalb ärgern wir uns auch ein bisschen. Aber wir freuen uns auch über Silber“, sagte Hämmerling und ergänzte: „Wir hatten im Training ein paar Probleme, zusammenzukommen. Das war nun das Bestmögliche und wir hoffen, dass es so weitergeht.“ Auch Oliver Zeidler konnte seinen Vorjahreserfolg bei der einzigen Saison-Regatta nicht wiederholen. Der 24 Jahre alte Einer-Weltmeister aus Ingolstadt musste sich nach Foto-Finish mit Rang vier hinter dem Norweger Kjetil Borch begnügen. Für den ehemalige Leistungsschwimmer war es der erste Rückschlag seiner noch jungen Ruder-Karriere. „Ich habe gemerkt, dass meine Konkurrenten in der Corona-Pause nicht geschlafen haben und weiß nun, dass ich im Winter ordentlich ranklotzen muss“, sagte Zeidler. Nach zuvor zwei schwachen EM-Rennen trat er im Finale die Flucht nach vorn an, lag bei 1500 Metern noch vorn, musste seinem hohen Tempo am Ende aber Tribut zollen. Anders als bei Zeidler und Hämmerling blieb der Corona-Blues der vergangenen Monate bei der Achter-Crew folgenlos. Bereits bei der 1000-Meter-Marke betrug der Vorsprung über zwei Sekunden und wurde auf der zweiten Streckenhälfte souverän verteidigt. Im Ziel lagen die Weltmeister eine halbe Bootslänge vor den Rumänen und dem WM-Zweiten aus den Niederlanden. „Das gibt ein gutes Gefühl. So können wir positiv auf Olympia schauen“, befand Crew-Neuling Olaf Roggensack aus Berlin. Mit insgesamt einmal Gold und drei Mal Silber in den 14 olympischen Klassen fiel die deutsche Gesamtbilanz durchwachsen aus. „Eine Medaille oder einen Sieg mehr hatte ich mir schon erhofft“, bekannte DRV-Cheftrainer Ralf Holtmeyer. Auch die deutschen Hoffnungen auf eine Medaille im Frauen-Skiff erfüllten sich nicht. Nach zwei famosen Siegen im Vorlauf und Halbfinale kam Pia Greiten aus Osnabrück im Endlauf weit abgeschlagen nicht über Rang sechs hinaus. Nur wenige Wochen nach der EM beginnt für die DRV-Elite die erneute Winter-Vorbereitung auf die Olympia-Saison. (scha)