Carolina Werner kocht gerne. In ihrer Kieler WG am Westring. Bunt gemischt, keine spezielle Küche, eher internationales Durcheinander. Das bringe der Segelsport, so die 25-Jährige, mit sich. Irgendwie steht die Stiftung Kieler Sporthilfe auch mit am Herd. Was die, das Kochen und das Segeln miteinander zu tun haben? Dazu später mehr. Die Geschichte fängt nämlich ganz anders an.
Das ehemalige „German Wonder Kid“ aus Schwedeneck an der Eckernförder Bucht ist längst kein Kind mehr. Auch kein Teenager, der sie war, als sie 2013 vom 29er in den Nacra-17-Katamaran stieg, um als Vorschoterin mit Paul Kohlhoff die Welt zu erobern. Das klappte mal besser – Platz fünf bei der Weltmeisterschaft 2015 – und mal etwas schlechter. Platz 13 bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro nennt die Seglerin vom Kieler Yacht-Club (KYC) „Worst-Case Scenario“. Das Duo trennte sich, Werner machte sich auf die Suche nach einem neuen Partner für die nächste Olympia-Kampagne. Irgendwie war das schließlich ein „unerledigter Job“. Sie fand den ehemaligen Olympioniken (2008) im Tornado, den heute 41-jährigen Johannes „Jojo“ Polgar. Ein ungleiches Paar, das sich da auf den Weg machte zu den Olympischen Spielen 2020 vor Enoshima. Hier die 25-jährige Studentin der Agrarwissenschaften, die sich vorstellen kann, ihre Zukunft im Bio-Landbau zu finden, die junge Blonde mit den strahlend hellblauen Augen, die eigentlich noch immer am liebsten die Welt auf dem Wasser erobern möchte.
Da der aus Olpe stammende Routinier, der für den Norddeutschen Regatta-Verein (NRV) startet und 2008 im Tornado an Bronze vorbeischrammte. Der als Sportmarketing-Koordinator bei Audi längst fest etabliert ist im Job bei einem Arbeitgeber, der ihm nun die Chance gibt, in zwei Sabbatjahren den unerledigten Job, den Traum von einer Medaille im Schatten der fünf Ringe, zu verwirklichen. Treffen mit Carolina Werner, nicht am Herd, sondern am Boot in Schilksee. Auftakeln des Katamarans, jeder Handgriff sitzt, helles Haar, Sommersprossen, gebräunte Haut – 15 bis 20 Tage Training pro Monat mit jeweils vier bis sechs Stunden auf dem Wasser oder beim Bootsbau hinterlassen ihre Spuren. Passt gut, dann strahlt das einnehmende Lachen gleich noch viel mehr. Ausdauer- und Krafttraining sind übrigens nicht mitgezählt. Haupt-Trainingspartner sind die ebenfalls von der Stiftung Kieler Sporthilfe geförderten Paul Kohlhoff und Alicia Stuhlemmer – zugleich die ärgsten Konkurrenten um das begehrte Olympia-Ticket. In Schilksee liegt Katamaran Nummer eins. „Man braucht mindestens zwei“, sagt Werner.
Anfang Dezember starten die Vorschoterin und Steuermann Polgar bei der WM in Neuseeland, das Boot „reist“ dann weiter zur nächsten Regatta in Melbourne, dann zurück nach Europa nach Palma de Mallorca. Ein Katamaran, der monatelang unterwegs ist, fehlt im Training. Ein Boot kostet 33000 Euro, zwei 66000 Euro, das Duo wird von zwei Sponsoren (Audi, Teikyo University) sowie vom KYC und NRV bei Anschaffungskosten unterstützt, der Deutsche Segler-Verband (DSV) finanziert Trainer Marcus Lynch an 150 Tagen im Jahr und die Kosten für ein Motorboot. Auf 80000 Euro beläuft sich der Jahresetat des Teams für Reise- und Materialkosten. Schwerter, Großsegel, Gennaker. Allein drei Sets aus Großsegel und Gennaker schlagen mit 10000 Euro zu Buche. „Mit Glück reicht das für eine Olympia-Kampagne.“ Und weil es bei der WM 2018 mit Platz 33 nicht besonders gut lief, werden Polgar/Werner weder bei Reisekosten vom DSV noch von der Deutschen Sporthilfe gefördert. „Andere Nationen haben insgesamt aufgrund einer besseren Förderung schon einen Materialvorteil“, weiß Carolina Werner.
Die Stiftung Kieler Sporthilfe, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert, fördert die 25-Jährige mit 600 Euro im Monat. „Dafür bin ich sehr dankbar, das ist mein Lebensgeld“, sagt sie. Miete, Telefon, Kochen, mit dem Wellenreiten hat sie gerade begonnen („Auch wenn das in Kiel ja nicht so oft geht“). Ihren Optimismus verliert sie nie. „Wir haben Stand jetzt mehr erwartet, aber sind optimistisch. Wir gucken auf die Weltspitze, wollen vorne mitsegeln, haben in den letzen Monaten noch einmal einiges verändert, auch im mentalen Bereich, Jojo ist jetzt wieder richtig im Leistungssport angekommen.“ Ihr Antrieb sei „der Erfolgsgedanke, das Streben nach Top-Platzierungen“. Vieles sei beim letzten Mal nicht optimal gelaufen. „Seitdem habe ich mich weiterentwickelt. Olympia ist einfach eine Mega-Erfahrung.“ Das ehemalige „German Wonder Kid“ und sein Partner haben zuletzt den Fokus auf den Speed auf dem Wasser gelegt, wollen jetzt Regatta-Erfahrung auf dem Wasser sammeln, träumen den Traum von Olympia 2020. (tas)