Sie alle wollten in diesem Jahr sportliche Höchstleistungen bringen und Erfolge feiern, liebäugelten teilweise sogar mit einer Olympia-Medaille im Sommer. Nach der Vollbremsung durch das Coronavirus haben die elf von der Stiftung Kieler Sporthilfe geförderten Sportlerinnen und Sportler das Motivationsloch überwunden und sich neu sortiert.
Vor gut zwei Monaten weilte Judoka Dominic Ressel noch mit dem deutschen Nationalkader im Trainingslager auf Lanzarote, inzwischen ist der gebürtige Kieler zurück an seinem Wohnort Köln, wo er am Olympiastützpunkt Rheinland trainiert. „Zirkeltraining im eigenen Schlafzimmer, Krafteinheiten in der Garage von einem Kumpel“, beschreibt der 26-Jährige die Versuche, sich auch im Lockdown fit zu halten, bevor erste Lockerungen in Kraft traten. Von denen profitiert Ressel derzeit allerdings noch nicht, entschloss er sich doch nach der Verlegung der Olympischen Spiele in Tokio um ein Jahr in den Sommer 2021, eine langwierige Schulterverletzung operativ behandeln zu lassen. „So kann ich die Zeit perfekt nutzen, die Schulter auszukurieren und wieder fit zu werden, sobald es losgeht“, sagt er. „Natürlich ist es schwer, sich zu motivieren, wenn man nicht weiß, wann es weitergeht“, gibt er zu, versprüht im nächsten Satz aber schon wieder Optimismus. „Aber eines ist mir klar: Ich weiß, dass es weitergeht. Deswegen stecke ich den Kopf nicht in den Sand. Denn mein Traum von der olympischen Goldmedaille ist nicht geplatzt, sondern nur verschoben.“
So sieht es auch Frieda Hämmerling. Die Ruderin von der RG Germania Kiel ist Schlagfrau im deutschen Doppelvierer, war für Tokio schon so gut wie gesetzt und trainiert am Olympiastützpunkt in Berlin. Die Corona-Auflagen dort verbieten ihrer Mannschaft das Training zu viert in einem Boot. „Aber ansonsten läuft hier alles relativ normal“, sagt die 23-Jährige. „Auch die Absage der Spiele habe ich einigermaßen gut verkraftet. Ich bin weiterhin motiviert und versuche, das Jahr noch komplett durchzuziehen.“
Ohne größere Einschränkungen, weil sie ohnehin nur zu zweit auf dem Wasser sind, läuft die Pandemie-Pause für Linov Scheel und Max Stingele, die in der olympischen 49er-Bootsklasse segeln. Seit es wieder erlaubt ist und weil die Wettkämpfe ausfallen, trainieren sie sogar öfter als sie es eigentlich geplant hatten, nämlich viermal pro Woche. „Das Wetter in den letzten Wochen war perfekt dafür“, sagt Scheel. „Und auf dem Wasser war es auch noch nicht so voll, wir konnten also gut Gas geben.“ Auch Laura Schewe kann der Krise positives abgewinnen. „Es ist ganz schön, dass man mal Zeit zu Hause hat und sich mal wieder auf die Grundlagen konzentrieren kann“, sagt die 19-jährige Laser-Radial-Seglerin. „Das kommt sonst immer ein bisschen kurz, wenn man viel unterwegs ist.“
Die sportliche Entschleunigung sieht Shamsu-Deen Raimi etwas zwiegespalten. „Ohne Wettkämpfe haben wir mehr Zeit, neue Teile zu lernen“, sagt das 13-jährige Ausnahme-Turntalent. „Es ist gut, mehr Zeit zu haben und nicht so zu hetzen. Aber irgendwann weiß man auch nicht mehr, was man noch machen soll.“ Vor diesem Problem stand auch Beachvolleyballer Momme Lorenz, bevor er die Ausnahmegenehmigung zur Wiederaufnahme des Trainings bekam. Aber Not macht erfinderisch: „Durch kleine Challenges habe ich versucht, meine Ballkontrolle bestmöglich beizubehalten“, erzählt der 19-Jährige.
Nach zwei Wochen „Homeoffice“ in der Kieler Heimat ist auch Kunstturner Thore Beissel wieder an seinem Wohnort Berlin im Training. „Natürlich fehlen mir die Wettkämpfe“, sagt der 17-Jährige, der hofft, dass er bei der voraussichtlich in den Herbst verschobenen Junioren-Europameisterschaft starten kann. „Ich versuche alles, um bis dahin noch besser zu sein“, sagt er. Wettkampfbedingungen hat indes Mittel- und Langstreckenläufer Tade Kohn (20) simuliert. „Ich habe einen heimischen Straßenlauf unter Wettkampfbedingungen nachgelaufen“, erzählt er. „Aber richtige Wettkämpfe mit dem direkten Duell Eins-gegen-eins sind natürlich noch mal etwas ganz anderes.“ Auf solche Duelle hoffen bei den auf September verschobenen Kieler-Woche-Regatten auch Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer. Die Nacra-17-Segler betonen: „Das Motivationsloch ist längst überwunden. Wir geben weiterhin Vollgas.“ Im Training, Richtung Zukunft – und irgendwann bestimmt auch wieder im Wettkampf. (KN, Von Merle Schaack)