Dominic Ressel verließ den Nippon Budokan in Tokio nach seinem verlorenen Bronzekampf mit gesenktem Kopf. Der Stolz auf seinen starken Olympia-Auftritt wird später kommen. Rückblick auf einen Tag wie eine Achterbahnfahrt.
Fünf Jahre hat sich Dominic Ressel, der Judoka vom TSV Kronshagen, auf diesen Wettkampftag in Tokio vorbereitet. Es war ein Tag, der genau wie Ressels Weg zu seinen ersten Olympischen Spielen viele Auf und Abs bereithielt – aus Erleichterung, bangem Warten, Ärger, Jubel und am Ende Enttäuschung.
Im Kampf um die Bronzemedaille verlor der 27-Jährige am Dienstag gegen den Österreicher Shamil Borchashvili und verließ anschließend eilig und mit gesenktem Kopf den Nippon Budokan in Tokio.
Um 4.30 Uhr deutscher Zeit hat im Kampfsport-Tempel, der für die Spiele 1964 in der japanischen Hauptstadt gebaut wurde, der Auftaktkampf für Ressel gerade begonnen, da ist er nach gut einer Minute auch schon beendet. Gegen den Palästinenser Wesam Abu Rmilah siegt der gebürtige Kieler mit Ippon, der höchsten Wertung im Judo, und erlöst so die deutsche Judo-Mannschaft vom Fluch des ersten verlorenen Kampfes. Zuvor waren alle deutschen Athleten in der ersten Runde ausgeschieden. Erleichterung.
Im Achtelfinale setzt sich Ressel, der von der Kieler Sporthilfe gefördert wird, auch gegen den WM-Dritten Frank de Wit aus den Niederlanden durch, den er nach viereinhalb Minuten in der Verlängerung mit Waza-ari bezwingt.
Trotz der siebenstündigen Zeitverschiebung verfolgen in den frühen Morgenstunden der Trainerstab der Judosparte des TSV Kronshagen, Ressels Familie und Freunde in und um Kiel die Kämpfe live, haben sich zum gemeinsamen Schauen verabredet oder per Videochat zusammengeschaltet. „Es ist schon jetzt ein Riesenerfolg für Dominic. Er ist ein absolutes Ausnahmetalent“, sagt Kai Onur, Spartenleiter beim TSV Kronshagen, der Ressel zwischen 2008 und 2012 unterstützte, am Dienstagmorgen. „Der Lohn für sein jahrelanges, hartes Training und die ihm dabei nie verloren gegangene Kreativität.“
Im Viertelfinale wartet die nächste schwere Aufgabe: der Japaner Takanori Nagase, Olympiadritter von Rio de Janeiro – und später am japanischen Abend Goldmedaillengewinner in Tokio 2021. Ressel liefert einen starken Kampf ab, bringt seinen Griff gut durch, wieder geht es in den Golden Score.
Nach sechseinhalb Minuten, bei einem Wurfansatz des Japaners dreht er sich auf den Bauch, hat jedoch den Arm unter dem Körper. Banges Warten. Nach dem Videobeweis beschließen die Kampfrichter, dem Japaner eine Wertung zu geben. Ärger im deutschen Lager, der schnell abgestreift werden muss.
Die Chance auf Bronze ist noch da. Zwei Siege müssen her. In der Hoffnungsrunde wartet der Russe Alan Chubezow. Gegen den Europameister von 2017 hatte Ressel bei der EM vor vier Jahren noch im Finale verloren. In Tokio gewinnt er nach knapp drei Minuten gegen Chubezow mit Ippon. Noch während der 27-Jährige seinen Gegner durch die Luft wirft, stößt er einen lauten Jubelschrei aus. Jetzt ist die Medaille zum Greifen nah.
Im kleinen Finale geht Ressel gegen den Österreicher Shamil Borchashvili schnell auf die Matte. Nach 13 Sekunden scheint der Kampf bereits beendet, aber der zunächst gegebene Ippon wird zu einer kleineren Wertung abgestuft. Ein kurzer Schock, den Ressel scheinbar nicht mehr abschütteln kann.
Nach eineinhalb Minuten Kampfzeit gerät er in eine Festhalte, bleibt zehn Sekunden mit dem Rücken auf dem Boden, verliert den Bronzekampf und beendet das olympische Turnier als Fünfter.
Schwester Vanessa meldet sich: „In drei Jahren holst du dir das Metall“
Dominic Ressel ist ein ehrgeiziger Sportler, der aus seinen Medaillenambitionen bei den Spielen nie einen Hehl gemacht hat. Am Dienstag dürfte bei ihm die Enttäuschung überwogen haben. Der Stolz auf seine Leistung wird in den nächsten Tagen kommen. Stolz, den seine Familie längst verspürt. „Ich hoffe, dass er selbst so stolz auf sich ist, wie wir es sind“, sagte Schwester Vanessa nach dem Achterbahntag. „Es ist einfach ein ganz großer Erfolg. In drei Jahren holst du dir das Metall.“ (cbe)